Sonntag, 29. November 2009

Veränderungen sind Ressourcenintensiv – gerade auch im Einkauf

Der Einkauf in der Automobilindustrie steht in der Tat vor großen Veränderungen. Nicht nur stehen bisherige Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand und verändert sich die Einstellung der Gesellschaft zum Auto. Mobilität ersetzt Status mit verehrenden Folgen für den Absatz der meisten schlecht aufgestellten OEMs.

Tatsächlich führt der tiefgreifende Technologiewechsel bei Antrieb und Material zu vollkommen neuen Anforderungen an das Beschaffungsportfolio und die Lieferanten. Große Systemlieferanten  gehen heute davon aus, dass aufgrund eines verstärkten Einsatzes von Leichtbaumaterialien klassische “Stahl”-Warengruppen durch neue Materialien ersetzt werden. Leider weiß man noch nicht genau, welche das sein werden und welche Lieferanten dies zukünftig liefern können.

Die Kollegen von Brainnet haben kürzlich eine Analyse veröffentlicht, die davon ausgeht, dass der Technologiewechsel auch ein Paradigmenwechsel für den Einkauf in der Automobilindustrie darstellen wird.  Kunststoffe und seltene Metalle werden einen rasant wachsenden Anteil an der Gesamtwertschöpfung haben.

Im Prinzip müssen also heute in den Einkaufsorganisationen die notwendigen Lieferantenportfolios entwickelt und die richtigen Warengruppenstrategien aufgesetzt werden. Vom entsprechend qualifiziertem Personal mal ganz zu schweigen.

Wie viele der betroffenen Zulieferer können wohl heute noch so weit in die Zukunft planen?

Donnerstag, 26. November 2009

Kann der Einkauf sich an die Spitze der Veränderung stellen?

Auch wenn viele Medien, Politiker und Manager bereits fest mit dem Ende der Krise rechnen und der Aufschwung nicht mehr wegzudiskutieren ist (FTD vom 25.11.2009): Es wird noch einiges an Anpassung auf die Wirtschaft zukommen. Veränderungen in der Art und Weise wie Mitarbeiter und Supply Chains geführt werden sind zwingend notwendig, um in der zunehmend vernetzten und globalen Welt erfolgreich zu bleiben.
Paul Snell von Buyography schreibt dazu:
At the CPO event I attended in Boston last week, there was a lot of talk about procurement’s role in change. Primarily that the profession is in such a good position to force transformation, and by bringing in new suppliers and ideas, it is something it is used to.
Das ist doch Interessant. Der Einkauf als Treiber des Wandels, schlicht weil er durch seine Aufgaben dazu jetzt schon beiträgt. Wenn man das mal durchdenkt, hat das durchaus Charme und Berechtigung.

Donnerstag, 19. November 2009

Kostentransparenz: Makrofotografie oder Handskizze - wieviel Detail ist richtig?

Mit beidem können schöne Bilder entstehen. Die Handskizzen gehören heute zu jeder besseren Ausstellung berühmter Künstler und die Makrofotografie bringt die kleinen Dinge ganz groß raus und ist teilweise gar surreal. Aber welche Detailtiefe ist eigentlich im Einkauf wichtig? Muss ich die Flächenkosten der Halle kennen, in der die Maschine des Lieferanten steht, auf der er meine Teile produziert? Was dann, was mache ich mit der Information? Die Heizung zwei Grad kälter stellen? Den Strom bei seinem Anbieter für ihn nachverhandeln? Mit welcher Schnittgeschwindigkeit zerspant er eigentlich die Teile? Wäre etwas mehr Vorschub nicht doch besser? Ach ja, Rattermarken, stimmt ja. Und Wendeschneidplattenverschleiß... Hm. Gar nicht so einfach. Wer pflegt eigentlich in der nächsten Boomphase die Daten nach? Ach egal. Datenaktualität war ja noch nie ein Problem.
Tja, für welche Anwendung ist eigentlich welche Kalkulationsgüte die richtige? Mit vielen unserer Kunden diskutieren wir diese Frage intensiv. Zweifellos gibt es gute Gründe dafür, so tief wie möglich ins Detail einzusteigen. Ich verstehe die Kostenwirkungen viel besser, wenn ich möglichst viel weiß. Aber das für alle Teile und alle Lieferanten? Oder nur für A-Volumen? Für die meisten Anwendungen im Einkauf wird auch eine qualifizierte Schätzung oder eine grobe Kostenstruktur ausreichen. Letzten Endes kann ich nicht wirklich bestimmen, auf welcher Maschine der Lieferant das Teil fertigt. Und ob sich das Analysieren der Details vom Aufwand-Nutzen-Verhältnis rechnet. Was allerdings sicher ist, dass ich am Ende immer noch die Technologien und Prozesse für technische Teile verstehen muss. Eine durch welche Algorithmen auch immer generierte automatische Kalkulation hilft dem Einkäufer am Ende nichts, wenn der Lieferant mit technischen Argumenten aufwartet, auf die der Einkauf keine Antworten geben kann außer "...das hat mir die Software so gesagt...". Einkauf findet schließlich immer noch zwischen den Ohren statt.
Wenn ich also gerade bei der Makrofotografie versuche auf das richtige Detail scharfzustellen, kann es sein, dass ich den Mähdrescher nicht wahrnehme, der das Feld abmähen will...
Was ist Ihre Meinung zu dem "richtigen" Detail?

Mittwoch, 18. November 2009

Offshore Conference

Esbjerg, Mitte November. Ca. fünfzig Teilnehmer auf der Suche nach den richtigen Lösungen, Netzwerkpartnern, Produkten und Prozessen für die Herausforderung Offshore-Windenergieanlagen. Von der wartungsfreien Beleuchtung bis zum Verladehafen mit noch offenen Flächen sind alle noch in der Orientierungsphase. Wenn Onshore schon alles klar wäre, würde man sich sicherlich leichter tun. Aber neben der sich noch entwickelnden Technik sind auch die Supply Chains alles andere als gefestigt. Was sind die richtigen Konzepte? Wie kalkuliert man Total Cost über die Lebenszeit eines Windparks? Sind die Annahmen richtig, kennen wir wirklich schon alle Fragen? Die Antworten kommen aus zwei Richtungen: Offshore-Erfahrung (v.a. Oil und Gas) oder Wind-Erfahrung (Onshore). Obwohl Dänemark eine starke Windindustrie hat, blickt man doch sehr gespannt nach Deutschland. Was passiert dort mit den Parks? Wie geht man mit der großen Entfernung vom Land und der großen Wassertiefe um? Viel Unsicherheit, viel zu tun für Supply Chain Management und Service.

Dienstag, 17. November 2009

Wenn falsche Prozesse die Krise endlos werden lassen...

Der deutsche Maschinenbau ist von der derzeitigen Krise ohne Frage "böse" erwischt worden. Eben noch auf Wachstumskurs und letztlich nahezu Perfekt (siehe "Wachstumskurs) wurden die Unternehmen von dem Nachfrageeinbruch so gut wie paralysiert.
In den ersten sechs wirklich schlimmen Monaten verhielten sich die meisten - unabhängig von der Grösse und vom Reifegrad der eigenen Supply Chain Organisation - nahezu gleich: langes Suchen nach belastbaren Fakten, Bestandsmanagement, Verhandlungsrunden, Panik. Strategisch und zukunftsgerichtet passierte erst einmal wenig. Danach trennt sich jetzt die Spreu vom Weizen. Die besseren investieren in die Zukunft, in neue Produkte, neue Märkte, bessere Prozesse, bessere Lieferanten. Wie auch immer sich die Wirtschaft weiter entwickelt, diese Unternehmen rufen laut "hier!". Die schlechteren sitzen auf so hohen Beständen, dass bei aktueller Planung für manche Schlüsselkomponenten fast drei Jahre nicht mehr bestellt werden müsste. Hier jetzt an neue Produkte, Wertanalysen etc. zu denken verbietet sich. Die Bestandsabwertungen würden das Unternehmen nahezu in die Insolvenz treiben.
So schnell kann das also gehen. Eben noch ganz oben mit dabei, jetzt noch nicht einmal mehr in der Lage wenigstens in 2012 wieder Geld zu verdienen. Letzlich nur, weil Supply Chain Know-how in der Kantine mehr genutzt wurde, als in der Fertigung.
Die wirklich guten Einkäufer wünschen sich jetzt im Stillen die nächste Krise: noch mehr Strukturen schaffen, alte Zöpfe abschneiden, Prozesse synchronisieren, Lieferantenportfolios aufräumen...