Dienstag, 30. November 2010

Einkauf und Social Media, nützlich oder dümmlich?

Achtung! Was jetzt folgt, ist mehrfach dünnes Eis. Zum einen, weil Einkäufer selten zu den "Early Adopters" neuer Technologien gehören. Auch wenn sich in der Vergangenheit einiges getan hat, schliesslich nutzen die meisten Einkaufsleiter ja mittlerweile eMail und Blackberry. Aber Technologie und Kommunikation verknüpfen? Schwierig wenn auch nicht unmöglich. Also, einkaufende Leser, nicht gleich weiterklicken! Ebenso schwierig wird es natürlich, sich als Laie zu einem Thema zu äussern, zu dem sich sonst nur "Evangelisten" oder "Digital Natives" äussern dürfen. Die digitale Bourgeoisie reagiert äusserst empfindlich darauf, wenn auch nicht Eingeweihte die digitale Götze anbeten wollen. Also bin ich gewarnt.
Social Media lässt sich schwer (oder natürlich doch, siehe oben) abgrenzen vom Web 2.0 oder vom semantischen Web. Das hängt im wesentlichen von der eigenen Perspektive ab, also davon ob man von Investoren eine Seed-Finanzierung für ein neues Geschäftsmodell will, oder ob man als Berater auch mal eine eigene Sau durchs Dorf treiben will, oder, oder, oder. Wikipedia sagt:
"Als Social Media (auch Soziale Medien) werden Soziale Netzwerke und Netzgemeinschaften verstanden, die als Plattformen zum gegenseitigen Austausch von Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen dienen"
Für die Diskussion unter Digitalen Einwanderern ist das sicher ausreichend wenn man dabei anerkennt, dass es natürlich eine wirklich grosse und spannende Vielfalt an Themen und Ansätzen und Innovationen gibt. Social Media ist sicherlich mehr als Facebook, Twitter oder Google Streetview (bzw. dem Croudsourcingansatz dahinter wenn es darum geht "verpixelte" Gebäude wieder verfügbar zu machen - gut oder böse) und heute sind wir bestimmt erst am Anfang der Entwicklung. Tatsächlich ist trotz aller Diskussion die Verbindung von Netz und Menschen auf einem weniger düsteren Weg als es sich die Apologeten des Cyberpunks vor 25 Jahren dachten.
Heute auf jeden Fall twittert der Maschinenbauer Trumpf Kurznachrichten an seine 450 Follower und Krones hat eine eigene Facebookseite mit mehr als 2.000 Fans. Ob sich das lohnt? Keine Ahnung, ich kenne auch die Ziele der beiden Firmen nicht. In jedem Fall bedienen diese Unternehmen (und es gibt natürlich noch viele mehr) bestimmte Netzwerke, vernetzen sich und generieren, vielleicht auch bescheidenen, Mehrwert. Beide sind auch nicht der klassische Markenartikler, der seine Fanpage bei Facebook oder myspace nutzt um virale Aufmerksamkeit wie Tipp-Ex zu erzeugen. Beiden werden, sicherlich nicht ohne professionelle Hilfe und wie viele andere auch, prüfen und ausprobieren (darum geht es oft bei Social Media) welche Aufgaben von PR und HR sich mit diesen Werkzeugen unterstützen lassen.
Was also macht der Einkauf? Nähert sich jemand dem Thema, wird es diskutiert oder gibt es vielleicht schon hier und da Initiativen? Ich kenne keine! Bei dem alljährliche Treffen der Einkäufer in Berlin auf dem BME-Symposium im November zum Beispiel fand Social Media nicht statt. Kein #Hashtag zu Veranstaltung, keine Blogposts, nur Tweets von Onventis und DIG und mir (mein Gott, war das einsam...)
Nick Martindale stellt sich in seinem guten Beitrag vom 25.11. bei SupplyManagement.com ähnliche Fragen (nur das er natürlich keine Idee von der grossen Bedeutung des BME ausserhalb der USA hat).
Whatever the ultimate goal, the underlying concept [of social media] – sharing information, developing a network and using platforms as the basis for further interaction in the real world – has obvious parallels to the business world. And procurement, with its complex internal and external networks to manage, is in a prime position to benefit from it.
Richtig, der Einkauf ist der Architekt der Supply Chain, wenn er sich denn entsprechend positionieren kann. Kaum ein anderer Funktionsbereich in einem Unternehmen (wenn man den Vertrieb inkl. Marketing, PR ausklammert) hat eine solche Netzwerkfunktion inne wie der Einkauf. Mehr als 50% des Umsatzes eines Industrieunternehmens werden von Lieferanten erbracht, in manchen Branchen mehr als 75% der Innovationen. Der Einkauf treibt Internationalisierung voran und erschliesst neue Märkte oft als Erster. OK, es gibt Diskussionsgruppen zum Einkauf bei XING und auch bei LinkedIN. Sogar auf Facebook vernetzt jemand Supply Chain Manager.
Aktivitäten aus dem Einkauf spezifischer Unternehmen gibt es wohl nicht. Ganz sicher gibt es heute keinen Einkauf mit einer Social Media Strategie, schliesslich haben die Wenigsten überhaupt eine Social Media Guideline (sollten sie aber!).
Ich glaube, der Einsatz von Social Media kann für den Einkauf ein Mittel sein, um
  • Transaktionskosten weiter zu reduzieren - warum nicht auch über Twitter RfIs / RfQs promoten
  • Interne und Externe Vernetzung weiter zu fördern - zum Beispiel über Collaborationtools wie Jive oder Mixxt um für die gemeinsamen Wertanalyseprojekte Experten miteinander zu vernetzen.
  • Neue Märkte und Lieferanten anzusprechen - und wenn es ein Facebookprofil ist als weiterer Kanal in Richtung Lieferantenportfolio
  • Lieferantenmanagement und Lieferantenentwicklung zu beschleunigen - vielleicht indem Location-based-services zur Aggregation von Daten mitgenutzt werden? Im Ernst, ein Photo zur rechten Zeit mit dem Smartphone geschossen von den Arbeitsbedingungen in einer chinesischen Giesserei, mit Geotaggingdaten verbunden, könnte vielen Ressourcen sparen helfen.
Ganz sicher müssen dazu noch viele Hürden genommen werden. Datenschutz und -sicherheit ist ungeklärt bzw. ein Risiko. Die Fähigkeit von Menschen bzw. Einkäufern zu kommunizieren (oder neben eMail, SAP-Listen und Telefon auch noch im Sozialen Netz) muss weiter entwickelt werden. Nicht zuletzt kennen wir heute nicht "DIE" Plattform, auf der wir zukünftig professionell arbeiten werden und wollen.
Eines ist aber offensichtlich. Social Media kann eine Chance sein für Einkaufsorganisationen und somit auch für Unternehmen, die den Wertbeitrag aus Ihrem Lieferantenportfolio konsequent ausbauen wollen.

Freitag, 12. November 2010

Vertrauen Gewinnen

"Vertrauern Gewinnen" war das Motto des diesjährigen immerhin schon 45. Symposiums des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, kurz BME. Etwas mehr als 2.000 Einkaufsaficionados - zur Hälfte Einkäufer und zur Hälfte Dienstleister - haben sich in der zu Ende gegangenen Woche zweieinhalb Tage im Hotel Intercontinental in Berlin zu diesem Motto ausgetauscht. Und gefeiert, gesoffen, getrascht wie es sich gehört.
Das Symposium hat einen nicht unerheblichen zeitlichen Vorlauf, so erklärt sich sicherlich auch das Motto der diesjährigen Veranstaltung. Schließlich konnte man im Frühling ja noch nicht wirklich ahnen, wo die Reise mit der Weltwirtschaft hingeht. Aber mit Vertrauen Gewinnen kann man eigentlich immer gewinnen. Jetzt im Herbst in Berlin wurde dies in jedem Fall positiv wenn auch nicht euphorisch interpretiert. Es geht wieder aufwärts und wir sind wieder wer.
Die Themenschwerpunkte der Fachkonferenzen und sonstigen Marketingveranstaltungen waren noch durch die Krise geprägt. Viel und langweiliges zu Controlling, Kostensenkung auch im indirekten Material, Kaffeesatzlesen in den Rohstoffmärkten. Hier wird deutlich, dass der Einkauf in den vergangenen 20 Jahren bis auf die Internationalisierung (Wegfall "Eiserner Vorhang", Entwicklung BRIC-Staaten) und Elektronifizierung (eProcurement, SRM) keine grossen und revolutionären Themen mehr generieren konnte. Zum zehnten Mal hören, wie schlecht man wirklich im Einkauf organisiert sein kann (Danke an Herrn Laschinger von der Schlott Gruppe AG für die offenen Worte), wie ein eProcurementsystem eingeführt wird (Danke an all die austauschbaren Alibikundenvorträge der Softwareanbieter) oder dass man in crossfunktionalen Teams mehr erreicht als alleine (Hier Danke u.a. an die Einkäufer von Trox oder RWE Technology) ist wirklich langweilig. Im Prinzip gute Vorträge, sinnvolle Projekte, bemühte Redner aber einfach langweilig.
Gab es grosse Linien? Vielleicht mit etwas gutem Willem bei Herrn Diess, CPO von BMW der explizit auf das Thema Cost Engineering und die Bedeutung für BMW hingewiesen hat. Das fand sich auch in den HR-Themen der Fachkonferenz 12 die sich mit dem Thema "Der Einkauf 2015 - Flexibel und vernetzt" auseinandersetzte wieder. Einkauf findet eben zwischen den Ohren statt und hier ist in Bezug auf Qualifizierung, Führung und Kultur noch eine Menge Luft nach oben. Dann der Versuch, CSR stärker zu promoten. Das ist sicherlich ein wichtiges Thema, nur eben noch wichtiger für die grossen Berater (Berger im Morning Special 1 - hab ich leider wegen Kater von der Party am Abend zuvor kaum mitbekommen) oder die grossen Konzerne (Covermyass-Strategien bei ThyssenKrupp in Fachkonferenz 17). Inhaltlich? Wenig neues.
Schön war die Bestandsaufnahme auf der Aufstellerseite. Das erste Mal seit Ewigkeiten wieder dabei: Kerkhoff mit einer Reihe von Satelliten u.a. Costdata bzw. der Hälfte die davon noch übrig geblieben ist. H&Z diemal in seriös nur leider mit Werten auf illuminierten Lichtkuben die offensichtlich wenig mit Hirn, Herz und Hand zu tun hatten. Araia wieder da, sogar dreimal. Im Gepäck mit EasySourcing und Ivalua (nein, keine Antibabypille) auf drei Ständen. Bin mir nicht sicher ob sich das gelohnt hat. Der schönste Stand diesmal an Andreas Tsetinis c/o ZF Friedrichshafen: Perfect-Pro-xxx wirklich gut in Szene gesetzt. Der Trend der Messe: Appleprodukte verlosen (u.a. Deutsche Business Consulting, Hermes Logistik und Geodis (oder war es Egencia?)) - ich bin natürlich leer ausgegangen. Sehr schön, dass auch die die Caterer jetzt in die Fachaustellung kommen. Herzlich Willkommen Aramark, hier konntet ihr nur verlieren (Obwohl, wenn ich mir das Niveau einiger Teilnehmer ansehe, wer weiss). Mein Highlight war aber der Stand von Matrium. Was an Einkauf, Logistik und Zoll "bionisch" sein soll, konnte  mir keiner erklären. Hat ausser mir wohl auch keiner gefragt, an dem Stand habe ich in drei Tagen keinen einzigen Besucher gesehen.


Mittwoch, 3. November 2010

Krisengewinnler Einkauf?

Laut der neuesten Global Chief Procurement Officer (CPO) Survey
von Capgemini hat der Einkauf durch die Krise in Sichtbarkeit und der Positionierung im Unternehmen aufgestiegen. Ob positiv oder negativ wird dabei nicht gesagt, ebensowenig wird darauf Bezug genommen, ob man jetzt von unten die erste Stufe erklommen hat oder ganz oben angekommen ist. Immerhin gibt es CPO's die man befragen kann, das ist ja schon ein Statement an sich.
Over 60% of respondents however confirmed that the Procurement function has emerged from the global economic downturn as a winner, with an improved image within their organization. An additional 20% of respondents went further to state that Procurement is now positioned strategically for future growth.
Wer den neuesten Pleyma Materialpreis-Rundbrief gelesen hat, stellt allerdings fest, dass das Handling der Krise und die Durchgängigkeit von Maßnahmen immer noch sehr von operativen Entscheidungen geprägt ist. Solange sich der Einkauf nicht als essentieller Teil des Systems im Unternehmen positioniert und seine Rolle auch gestaltend wahrnimmt, könnte sich die Aufwertung als Strohfeuer erweisen. Der beengte Fokus wird auch in diesem Zitat aus der Bewerbung der Studie deutlich:
Cost reduction continues to be a major focus area with savings targets increasing as they did in 2009 (over 40% of respondents have savings targets at nearly 10% for 2010). Strategies that Procurement executives are employing to achieve these targets include contract re-negotiation, tighter contract compliance, global sourcing, hedging and moving to outsourced procurement services. However, almost 80% of survey participants responded that top management expected them to improve the overall value contribution of Procurement.
Mit den beschriebenen Maßnahmen lässt sich strategisch natürlich kein Blumentopf gewinnen, denn die reine Fokussierung auf die nachgelagerte Reparatur trifft offenbar auch nicht die Erwartungshaltung des Top Managements.
Kann aber auch sein, dass das daran liegt, dass Capgemini gar nicht nach einem erweiterten Einkaufsverständnis gefragt hat. Das wiederum spräche für sich.